Cold Case Steinalm

Detonation auf der Steinalm im Jahr 1966 

Am 9. September 1966 wurde das Finanzergebäude auf der Steinalm am Brenner durch eine Detonation zerstört. Es gab Tote und Verletzte. Die italienische Justiz machte den Südtiroler Aktivisten Georg Klotz dafür verantwortlich.

Die italienische Version lautet ungefähr so:

Georg Klotz hat eine Tasche mit 10 kg Gelatine-Donarit im Büro der Kaserne Steinalm auf eine Kiste gestellt. In der Kiste befanden sich Handgranaten mit insgesamt gut 3 kg TNT. Der Sprengstoff wurde mit einer Uhrwerkszündung versehen und hat bei der Detonation auch noch die Handgranaten mitgezündet.

Schwachstellen der ital. Darstellung:

Allerdings gab es bei dieser Version ein paar Probleme. Da war einmal die Zeitverzögerung zwischen dem Platzieren des Sprengstoffes im Büro und der Detonation. Uhrwerkszündungen, wie sie damals eingesetzt wurden, bestanden aus einer Taschenuhr, einer Batterie und einem Elektrozünder. Bei der Uhr entfernte man den Minutenzeiger und positionierte einen Kontaktschrauben zwischen Zifferblatt und Uhrglas, den der Stundenzeiger irgendwann einmal berühren musste. Dadurch wurde ein elektrischer Kontakt geschlossen und der Zünder gezündet. Die maximale Zeit, die man mit so einem System verzögern konnte, waren 12 Stunden. Aber die Zeit zwischen dem möglichen Platzieren der Ladung im Büro der Steinalm und der Detonation betrug deutlich mehr als 12 Stunden. Das nächste Problem war die generelle Situation der Kaserne. Sie wurde von einem Hund bewacht, hatte eine laut knarrende Eingangstüre - die zudem nur von innen zu öffnen war – und war zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Eindringens von Klotz mit Personal besetzt, der Außenbereich – eine baumfreie Wiese - wurde überwacht. Aber erstaunlicherweise konnte sich Klotz unerkannt der Kaserne nähern, den ansonst immer bellenden Hund überzeugen, das Maul zu halten und die Tür ohne (vom Personal hörbares) Knarren öffnen. Anschließend schlich er sich nach Ansicht der italienischen Gutachter ins Büro und stellte dort die Tasche mit dem Sprengstoff ab. Die Uhrwerkszündung hatte laut ital. Gutachterkollegium eine Blockade und wurde erst wieder aktiviert, als der Finanzer Volgger die Tasche mehr als 12 Stunden nach deren Deponierung im Büro untersuchen wollte. Der Sprengstoff ist lt. Ital. Gutachten in diesem Moment detoniert und hat Volgger getötet. Im Unterschied zum Pfitscherjoch gibt es lediglich einige Fotos der zerstörten Kaserne. Wobei auch hier die Fotos nicht den Zustand unmittelbar nach der Detonation zeigen. Es gibt aber kein Foto des getöteten Volgger. Der Beschreibung nach dürfte der Körper als solcher intakt geblieben sein. Das heißt: Die Detonation von 13 kg Sprengstoff in unmittelbarer Nähe hat den Körper nicht komplett zerstört. Das ist mehr als erstaunlich.   

Befund:

Zweifellos steht fest, dass eine Kiste mit Handgranaten detoniert ist. In unmittelbarer Nähe der Detonationsstelle befand sich ein Gewehr. Eine abgeschossene Patronenhülse wurde bei den anschließenden Untersuchungen gefunden.

Die Nettoexplosivstoffmasse der Handgranaten betrug laut italienischem Gutachterkollegium unter Führung von Cerri 3,14 kg TNT. Tatsächlich war die Menge TNT etwas geringer. In einem Handbuch wird die Sprengstoffmenge der Handgranate SRCM 35 mit 43 Gramm TNT angegeben. Dazu kommt noch die Sprengkapsel. TNT erfordert eine relativ starke Zündladung. Die Gesamtmenge TNT betrug somit bei 64 Handgranaten 2,75 kg. Dazu kommt noch das Nitropenta in den Zündern. In Summe also knapp 3 kg insgesamt. Beim Prozess in Florenz wurde von Seiten der Verteidigung ein Gutachten eines Statikers vorgelegt, welches zeigt, dass 3,14 kg ausreichend waren, um die dokumentierten Schäden am Gebäude hervorzurufen. Bevor jetzt eine Diskussion über die fehlenden 0,14 kg entsteht: Es gab im gleichen Raum auch noch Signalmunition, die ebenfalls umgesetzt hat und die 0,14 kg mehr als kompensiert hat.  

Vergleich mit einem dokumentierten Unglücksfall

Viele Jahre später zeigte ein Unglück in einem Steinbruch in der Steiermark, dass selbst kleine Mengen hochbrisanten Sprengstoffes ausreichend sind, um ein Gebäude zu zerstören.

1.500 Stück Sprengkapseln Nr. 8 (Nettoexplosivstoffmasse ca. 1,5 kg) wurden bei einem Einbruch in das Bürohaus des Steinbruches Weitendorf im Jahr 1984 unabsichtlich zur Detonation gebracht. Dazu schaffte man den Tresor, in dem sich die Sprengkapseln befanden, in den Keller und versuchte ihn aufzuschneiden. Die Hitzeentwicklung brachte die Sprengkapseln zur Umsetzung. Das Gebäude stürzte ein. Die beiden Einbrecher starben. Jener Einbrecher, der sich der polizeilichen Rekonstruktion in der Nähe befunden haben muss, wurde 40 m weit weggeschleudert. Beine und ein Teil des Gesichts wurden ihm laut damaligem Zeitungsbericht (OÖ-Nachrichten) weggerissen. Leider ist über die Konstruktionsweise des Gebäudes wenig bekannt. Das Vorhandensein eines Gewölbekellers (lt. Zeitungsfoto) lässt auf eine robuste Bauweise schließen.

Schlussfolgerung:

Es ist anzunehmen, dass die doppelte Menge Sprengstoff die beschriebenen Schäden am Gebäude der Steinalm verursachen konnte. Wenn man die Verletzungen der in der Nähe stehenden Person betrachtet, verwundert es, dass der Finanzer Volgger, der sich unmittelbar neben bzw. über 3 bzw. 13 kg Sprengstoff befunden hat, nicht bis zur Unkenntlichkeit zerrissen worden ist.

Die Frage, ob die Sprengstoffmenge der Handgranaten das Finanzergebäude auf der Steinalm schwer beschädigen konnte, muss daher mit „Ja“ beantwortet werden.

Das italienische Gutachterkollegium bemängelte, dass ein Gewehrschuss eine Handgranate nur dann auslösen könne, wenn zufällig genau der Zünder getroffen würde. Sie haben daher die Auslösung der Handgranaten durch den nachweislichen Schuss mit dem Gewehr unmittelbar vor der Detonation (!) als nicht wahrscheinliche Ursache für die Zündung verworfen. Nun geht es hier nicht um eine einzelne Handgranate, sondern um eine Kiste voll Handgranaten. Und eine Gewehrkugel wird wohl durch mehrere Handgranaten durchgegangen sein. Und mit jeder Handgranate steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zünder getroffen wird. Vom gesamten Querschnitt der Handgranate nimmt der Zünder ungefähr 10 % ein. Die Frage ist, ob ein Treffer im oberen Teil der Handgranate = Auslösemechanismus ebenfalls die Handgranate auslösen kann. Sollte das der Fall sein, dann erhöht sich der Anteil der Querschnittsfläche, die eine Zündung auslösen kann, auf ca. 35 %.

Wir haben somit zwei Versionen der Geschichte. Die eine Version, bei der Georg Klotz für die Detonation verantwortlich war. Und bei der man einige ungewöhnliche Annahmen treffen müsste.

Und eine zweite Version, bei der ein versehentlich abgegebener Gewehrschuss die Ursache des Unglücks war. Die Zündung durch einen unabsichtlich abgegebenen Schuss mit einem Gewehr ist relativ leicht möglich, wenn der Schuss durch eine Anzahl von Handgranaten durchgeht. Irgendwann trifft die Kugel auf einen Zünder und der Inhalt der gesamten Kiste geht gleichzeitig hoch (Massenexplosion).

Fotos und Untersuchungen der Leiche von Volgger könnten eindeutig Aufschluss über die richtige Version der Geschichte geben. Hätte sich Volgger tatsächlich an der Tasche mit 10 kg Sprengstoff zu schaffen gemacht und wäre diese in unmittelbarer Nähe von ihm detoniert, wäre von dem Finanzer nicht mehr viel übriggeblieben. Nur wurden keinerlei Fotos vorgelegt. Was darauf schließen lässt, dass man kein Interesse an einer echten Klärung des Falles gehabt hat.

Die beiden Versionen unterscheiden sich wesentlich. Es gibt eine relativ einfache, bei der man keinen zusätzlichen Sprengstoff benötigt. Und eine komplizierte Version, die von (nicht erforderlichen) 10 kg zusätzlichem Sprengstoff ausgeht.

Die komplizierte italienische Version erfordert darüber hinaus eine stehengebliebene Uhr, ein unglaublich raffiniertes Eindringen eines Aktivisten und das Unterschlagen von brauchbaren Beweisen zum Tod des Finanzers Volgger. Allerdings kommt sie ohne Zündung durch den Gewehrschuss aus. Der Schuss des Gewehres wurde aber durch die aufgefundene Patronenhülse nachgewiesen. Es ist anzunehmen, dass ein Unfall durch einen Schuss aus einem, unmittelbar neben einer Kiste Handgranaten abgestellten und auf diese Kiste gerichtetem Gewehr auch Konsequenzen für die verantwortlichen Offiziere gehabt hätte. Es bestand somit ein Anreiz, die Sache nicht als Unfall, sondern als Anschlag darzustellen.  

Occams Rasiermesser

Schon im Mittelalter hat der Mönch William von Occam das Prinzip der Sparsamkeit bei Hypothesen eingeführt. Sein in der Wissenschaft immer noch gültiges „Rasiermesser“ bzw. „Sparsamkeitsprinzip“ besagt, dass von mehreren Erklärungen jene zu bevorzugen ist, die am einfachsten ist. In diesem Fall ist wohl der Unfallhypothese eindeutig der Vorzug zu geben. Die italienische Justiz bevorzugte allerdings die reichlich komplizierte und unwahrscheinliche Variante eines Gutachterkollegiums und verurteilte den Aktivisten Georg Klotz. Georg Klotz erlebte dieses Urteil nicht mehr. Er starb im österreichischen Exil. Wie groß der Hass der Behörden auf die BAS-Aktivisten gewesen ist, zeigt auch das Schicksal der übrigen Familie Klotz. Nachdem Georg Klotz nicht greifbar war, weil nach Österreich geflüchtet, verhaftete man seine Frau und teilte die Kinder unter den Verwandten auf.

Der Vergleich

Parallelen zum Unfall auf der Pfitscherjochhütte sind unübersehbar. Aufgrund einer Bildmappe und Dokumentation kann man beim Pfitscherjoch eindeutig von einem Unfall ausgehen, der als Anschlag ausgegeben wurde. Die Gründe für dieses Verhalten sind wohl leicht erkennbar: Einerseits konnte man damit Verantwortung abschieben und andererseits den „Gegner“ diskreditieren. Leider fehlt bei der Steinalm eine gute Dokumentation ähnlich wie beim Pfitscherjoch.

 

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